Die Einstellung eines OWi-Verfahrens (Bußgeldverfahrens) kann in allen Verfahrensabschnitten erfolgen. Im folgenden Fall hätte es – nach meiner Auffassung – genug Anhaltspunkte für eine Einstellung vor dem gerichtlichen Verfahren gegeben.
Das OWi-Verfahren
Mein Mandant hatte offenbar seinen Wohnanhänger nicht richtig gesichert. Denn kurz nach der Ausfahrt von einem Parkplatz löste sich der Anhänger auf einer Bundesstraße und rutschte in den Graben. Zeugen riefen die Polizei und die nahm den Sachverhalt auf.
Auffälligkeiten bei den Ermittlungen
Als mein Mandant mich nach Erhalt des Bußgeldbescheides mit seiner Verteidigung beauftragte, erzählte er mir einige weitere Einzelheiten zu dem Geschehen:
Einer der am Unfallort anwesenden Polizeibeamten wollte die Angelegenheit mit einer Verwarnung und einem Verwarnungsgeld von 30 € beenden. Aber als er eine Quittung für das Verwarnungsgeld ausstellen wollte, erklärte seine Kollegin, dass das auf keinen Fall so gehandhabt werden könne.
Sie meinte, es müsse ein Bußgeldverfahren durchgeführt und ein (höheres) Bußgeld festgesetzt werden. Daher erhielt mein Mandant das Verwarnungsgeld zurück. Er sicherte den Wohnanhänger ordnungsgemäß und fuhr nach Hause.
Dort erhielt er am gleichen Tag einen Anruf der Polizeibeamtin über seine Mobiltelefonnummer auf seinem Handy. Sie fragte ihn, ob er irrtümlich die polizeilichen Unterlagen mitgenommen habe. Und als er dies verneinte, vermutete sie, dass sie diese wohl auf dem Dach des Polizeiautos abgelegt und beim Wegfahren vergessen hatte.
Der Bußgeldbescheid
Der Bußgeldbescheid sah eine Geldbuße von 90 € und einen Flensburger Punkt vor. Aber er war einen Tag nach Ablauf der Drei-Monats-Frist erlassen worden.
Ob Verfolgungsverjährung eingetreten ist, lässt sich oft nur über eine Akteneinsicht herausfinden. Und auf die war ich gespannt. Denn nach den Angaben meines Mandanten war die Ermittlungsakte in alle Winde verweht.
Die Ermittlungsakte
OWi-Akten bestehen oft nur aus wenigen Seiten und werden meist digital geführt. Letzteres erfordert aber eine Dokumentation der einzelnen Ermittlungshandlungen, also ein Computerprotokoll. Das lag hier nicht vor.
Die Sachbearbeiterin, die schon am Unfallort einschneidende Maßnahmen wünschte, meinte eine Geldbuße von 200 € sei angemessen. Aber die Bußgeldbehörde war anderer Ansicht (siehe oben).
VOWi-Anzeige, Verkehrsunfallanzeige und Bußgeldbescheid nahmen auf Vernehmungen meines Mandanten und eine Handskizze Bezug. Jedoch befand sich in der Akte weder eine Vernehmung, noch eine Handskizze. Denn das dürften die Unterlagen gewesen sein, die auf dem Dach des Polizeiwagens vergessen wurden.
Darüber hinaus gab es ein paar Widersprüche zu den Daten der Ermittlungshandlungen.
Aber der Clou war der Anhörungsbogen. Denn der war nicht – wie üblich – auf dem Postweg verschickt worden. Sondern er enthielt einen handschriftlichen Vermerk, dass mein Mandant telefonisch gehört worden sei. Und es war eine Festnetznummer angegeben.
Daher rief ich meinen Mandanten an, um zu klären, ob es ein Gespräch über das Festnetz gegeben hatte. Das verneinte er.
Und bei dieser Gelegenheit fiel mir auf, dass die Telefonnummer auf dem Anhörungsbogen nicht die Telefonnummer meines Mandanten war.
Er erklärte mir, dass der Anschluss seit vielen Jahren mit dieser Telefonnummer besteht und er keine andere Festnetznummer nutzt. Also rief ich die auf dem Anhörungsbogen angegebene Telefonnummer an. Das Ergebnis: “Kein Anschluss unter dieser Nummer”!
Ich hatte nun eine gewisse Vorstellung vom Zustandekommen der Ermittlungsakte und des Anhörungsbogens …
Die gerichtliche Verhandlung
Die zu klärende juristische Frage betraf den Anhörungsbogen und den auf diesem vermerkten Anruf.
Bei einer ordnungsgemäßen Anhörung wäre die Verjährung unterbrochen und der Bußgeldbescheid innerhalb der Drei-Monats-Frist erlassen worden.
Ich hatte das Gericht auf die obigen Auffälligkeiten hingewiesen. Diese sollten durch Zeugenvernehmungen der beiden Polizeibeamten, die den Unfall aufgenommen hatten, geklärt werden.
Erwartungsgemäß konnte sich der Polizeibeamte, der zunächst eine Verwarnung für ausreichend hielt, nicht an den Vorgang erinnern. Das ist nachvollziehbar: Inzwischen waren 7 Monate vergangen und derartige Vorfälle gehören zur täglichen Arbeit eines Polizeibeamten.
Die als Zeugin gehörte Sachbearbeiterin wollte die Angaben meines Mandanten zu den verlorenen Unterlagen nicht bestätigen. Sie meinte, dass ein Lineal auf einem Handyfoto zum Unfall, das Bild zu einer Handskizze mache und ihr mein Mandant eine falsche Telefonnummer gegeben habe.
Ich wies darauf hin, dass es für den behaupteten Anruf der Beamtin bei meinem Mandanten normalerweise einen Aktenvermerk geben würde (den es nicht gab). Und ich erklärte, dass die von ihr behaupteten zwei Anrufe bei einem nicht vergebenen Anschluss merkwürdig wären. Die Zeugin reagierte ziemlich wütend …
Einstellung OWi-Verfahren
Zwar teilte die Richterin meine Auffassung zum (offensichtlichen) Zustandekommen des Anhörungsbogens und des fraglichen Telefonanrufes nicht. Aber sie ging davon aus, dass diese Frage nicht zweifelsfrei geklärt werden konnte. Daher war die Verfolgungsverjährung nicht auszuschließen.
Es erging ein Beschluss zur Einstellung des OWi-Verfahrens gem. § 47 Abs, 2 OWiG. Und die Kosten des Verfahrens wurden der Staatskasse auferlegt. Daher erhielt mein Mandant das an mich gezahlte Honorar zurück.
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