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Kein Sicherheitsgurt – Mitverschulden?

Veröffentlicht am

Aktualisiert: 20.06.2023

Autofahrer mit Sonnenbrille und Sicherheitsgurt im PKW

Zur Frage, ob ein Mitverschulden an einem Verkehrsunfall vorliegt, wenn kein Sicherheitsgurt angelegt war, gibt es verschiedene Urteile der höheren Instanzen. Dabei betrifft das u.a. BGH-Urteil einen weniger typischen Sachverhalt. Den beiden weiteren Urteile liegen Standardsituationen zu Grunde.

Rechtsprechung zum Mitverschulden

Eine Haftungsverkürzung wegen Mitverschulden kommt nur dann in Betracht, wenn zum Unfallzeitpunkt noch eine Anschnallpflicht bestand (BGH, Urteil vom 28. Februar 2012 – VI ZR 10/11).

Kein Mitverschulden im konkreten Einzelfall

Nachdem die Klägerin nachts gegen 3:10 Uhr auf einer Bundesautobahn aus ungeklärten Gründen die Kontrolle über ihr Fahrzeug verlor, geriet dieses ins Schleudern. Es stieß gegen die Mittelplanke und kam auf der linken Fahrspur unbeleuchtet zum Stehen.

Kurz darauf prallte der Beklagte, der mit einer Geschwindigkeit von 130 km/h und eingeschaltetem Abblendlicht gefahren war, auf das Fahrzeug der Klägerin. Diese wurde schwer verletzt.

Das zuständige Landgericht hatte der Klägerin zunächst Schadensersatzansprüche unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 1/3 zugesprochen. Im Ergebnis der Berufung der Beklagten (Fahrer des auffahrenden PKW und seine Haftpflichtversicherung) wurde durch das OLG die Mitverschuldensquote der Beklagten grundsätzlich auf 60 % und für die körperlichen Verletzung auf 40 % abgesenkt. Das Gericht hatte dabei berücksichtigt, dass die Klägerin bei dem Zweitunfall nicht angeschnallt war. Es hat daher für den infolge ihrer Körperverletzung entstandenen Schaden einen höheren Mitverursachungsanteil angenommen.

Gegen diese Entscheidung richtete sich die Revision der Klägerin.

Entscheidung des BGH – VI ZR 10/11

Die Revision hatte Erfolg. In seiner Entscheidung wies der Senat darauf hin, dass vorgeschriebene Sicherheitsgurte während der Fahrt grundsätzlich angelegt sein müssen und ein Verstoß gegen diese Vorschrift hinsichtlich unfallbedingter Körperschäden zu einer Haftungskürzung wegen Mitverursachung führen kann.

Da eine Haftung der Beklagten hier aber nur für die Folgen des Zweitunfalls vorliegt, musste berücksichtigt werden, ob zum Zeitpunkt des Zweitunfalls noch eine Anschnallpflicht bestand, was durch das Gericht verneint wurde.

Der Aufprall ereignete sich nicht „während der Fahrt“ des PKW der Klägerin, denn diese war dadurch beendet worden, dass der Pkw unfallbedingt an der Leitplanke zum Stehen gekommen war.

Nach dem Unfall war die Klägerin nicht nur berechtigt, den Gurt zu lösen, um ihr Fahrzeug zu verlassen und sich in Sicherheit bringen zu können, sondern gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 2 StVO sogar dazu verpflichtet, um die Unfallstelle sichern zu können.

Ihr kann deshalb nicht angelastet werden, dass sie nicht angeschnallt war, als sich der Zweitunfall ereignete.

Der u.a. für das Verkehrshaftungsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil deshalb aufgehoben und die Entscheidung zugunsten der Klägerin abgeändert.

Kein Sicherheitsgurt – Haftungskürzung wegen Mitverursachung

Die o.a. Entscheidung bezieht sich auf einen eher seltenen Sachverhalt. Sie gilt daher nur für den konkreten Einzelfall. Bei anderen Sachverhalten gehen die Gerichte überwiegend von einem Mitverschulden aus, was zu einer Haftungsquote führt:

OLG Rostock, Urteil vom 25.10.2019 – 5 U 55/17

Dem Verfahren lag ein mehrere Jahre zurück liegender Verkehrsunfall zugrunde. Die Geschädigte hatte keinen Sicherheitsgurt angelegt und erlitt schwerste Verletzungen. Streitig waren die Kriterien, nach denen der Mitverschuldensanteil der Geschädigten zu bewerten ist.

Das OLG wies darauf hin, dass in der obergerichtlichen Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen Haftungsquoten gebildet worden, die sich nicht nach den fiktiven Verletzungsfolgen sondern nach dem Maß der Verursachung richten, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben.

Es kam zu dem Ergebnis, dass in diesem Verfahren eine Haftungsquote von 2/3 angemessen ist und der Mitverschuldensanteil der Klägerin 1/3 beträgt.

OLG München, Urteil vom 25.10.2019 – 10 U 3171/18

Grundsätzlich gilt, dass eine Mithaftung nur zu berücksichtigen ist, wenn feststeht, dass die Verletzungen des Geschädigten bei einem Verkehrsunfall nicht oder nicht in der Schwere aufgetreten wären, wenn er angeschnallt gewesen wäre.

Ein Problem in diesem Verfahren bestand darin, dass ein medizinisches Gutachten zu dem Ergebnis kam, dass einige Verletzungen nicht darauf beruhten, dass der Geschädigte nicht angeschnallt war. Bei weiteren Verletzungen sah der Gutachter einen Zusammenhang.

Das OLG München (10 U 3171/18) kam zu dem Ergebnis, dass eine einheitliche Mitverschuldensquote zu bilden ist, die in diesem Verfahren 30% beträgt.


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