Der Geschädigte kann die fiktiven Reparaturkosten einer markengebundenen Fachwerkstatt verlangen, wenn sein über drei Jahre alter PKW immer in einer Fachwerkstatt gewartet wurde. Das gilt auch, wenn die Haftpflichtversicherung eine billigere freie Werkstatt mit gleichwertiger Reparatur benannt hat.
Fiktive Reparaturkosten für Fachwerkstatt
Gemäß § 249 Abs. 1 BGB soll der Geschädigte grundsätzlich so gestellt werden, als sei das schädigende Ereignis nicht eingetreten.
Aber im Fall eines Unfallschadens wird durch die zuständige Haftpflichtversicherung oft darauf hingewiesen, dass bei einer fiktiven Abrechnung des Schadens die Ersatzteilpreisaufschläge (UPE-Aufschläge) und Verbringungskosten nicht erstattungsfähig seien.
Allerdings vertreten die Gerichte überwiegend einen gegenteiligen Standpunkt. Daher ist die erfolgreiche Durchsetzung der berechtigten Ansprüche des geschädigten Fahrzeugeigentümers auch bei fiktiver Schadensabrechnung möglich.
Urteil des LG Rostock, 1 S 240/10
Das LG nimmt in seinem Berufungsurteil u.a. auf die BGH-Rechtsprechung Bezug: Urteile vom
- 13.07.10 – VI ZR 259/09,
- 22.06.10 – VI ZR 302/08,
- 20.09.09 – VI ZR 53/09, sowie
- 29.04.03 – VI ZR 398/02.
Es stellt fest, dass auch die UPE-Zuschläge und die erforderlichen Verbringungskosten zu den zu ersetzenden fiktiven Reparaturkosten gehören. Denn diese sind nicht anders zu behandeln, als die teureren Stundensätze.
Aus den Urteilsgründen:
„Nehmen alle für die Reparatur in Frage kommenden markengebundenen Fachwerkstätten einen Aufschlag auf die Ersatzteilpreise und verfügen sie ferner nicht über eine eigene Lackiererei, so dass insoweit im Reparaturfall stets Verbringungskosten anfallen, gehören sowohl die UPE-Zuschläge als auch die Verbringungskosten zu den zu ersetzenden fiktiven Reparaturkosten, sie sind also nicht anders zu behandeln als die teureren Stundensätze (vgl. BGH, Urt. v. 13.7.10 -VI ZR 259/09, NJW2010, 2941, juris Rn. 10; OLG München, Urt/ v. 27.5.10- 10 U 3379/09, juris Rn. 26; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.10-1 U 140/09, juris Rn. 42; Urt. v. 16.6.08 – 1 U 246/07, DAR 2008, 523, juris Rn. 59; KG, Urt. v. 10.9.07 – 22 U 224/06-, KGR Berlin 2008, 610; OLG Dresden, Urt. v. 13.6.01 – 13 U 600/01, DAR 2001, 455, juris Rn. 11; LG Hanau, NZV 2010, 574; LG Hildesheim, NZV 2010, 575; LG Kiel, DAR 2010, 270; LG Lübeck, BeckRS 2009, 04784; LG Aachen, NZV 2005, 649; MünchKomm/BGB-Oetker, 5. Aufl., § 249 Rn. 350). Die Gegenansicht (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 22.4.96 – 6 U 144/95, DAR 1996, 400; Palandt-Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 249 Rn. 14 mwN) ist durch die BGH-Rechtsprechung zu den Stundensätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt überholt (vgl. BGH, Urt. v. 29.4.03 – VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1).“
BGH zu Reparaturkosten Markenservice
Gemäß ständiger Rechtsprechung des BGH ist eine Reparatur in einer freien Fachwerkstatt unzumutbar, wenn das beschädigte Fahrzeug
- nicht älter als drei Jahre ist, oder
- älter als drei Jahre ist, aber regelmäßig in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet bzw. repariert wurde.
Mit Urteil vom 07.02.2017, VI ZR 182/16, hat der BGH diese Rechtsprechung bestätigt:
„Der Geschädigte darf, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, dieser grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. (…)
Unzumutbar ist eine Reparatur in einer „freien“ Fachwerkstatt für den Geschädigten im Allgemeinen dann, wenn das beschädigte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt nicht älter als drei Jahre war. Aber auch bei Fahrzeugen, die älter sind als drei Jahre, kann es für den Geschädigten unzumutbar sein, sich auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen.“
BGH, VI ZR 182/16
Inspektionen nicht in Fachwerkstatt durchgeführt
Allerdings kommt der BGH in dem dortigen Verfahren zu einem anderen Ergebnis. Denn der Geschädigte hatte die Inspektionen seit mehreren Jahren nicht mehr in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchführen lassen. Der BGH führt dazu aus:
„Dann aber hat der Kläger ersichtlich keinen Wert darauf gelegt, dass eine markengebundene Fachwerkstatt sein Fahrzeug regelmäßig wartet, weshalb er damit beispielsweise bei einem Verkauf seines Fahrzeugs nicht werben dürfte. Wenn aber seit Jahren keine Inspektionen mehr in einer markengebundenen Fachwerkstatt vorgenommen wurden, wird dies allein durch den Umstand, dass sämtliche Reparaturen dort ausgeführt wurden, bei einem rund neuneinhalb Jahre alten und verhältnismäßig leicht beschädigten Fahrzeug nicht derart aufgewogen, dass sich vor liegend die Unzumutbarkeit des Verweises auf eine Reparatur in der Fachwerkstatt S. begründen ließe.“
BGH, VI ZR 182/16
Fazit:
Die zuständigen Haftpflichtversicherungen versuchen (nicht nur) bei Schadensabrechnung auf Basis eines Gutachtens die Schadensberechnung nach unten zu „korrigieren“. Ob und inwieweit das gerechtfertigt ist, kann nur anhand des konkreten Einzelfalles beurteilt werden.
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