Wie häufig bei Gerichtsverfahren, die das Handelsvertreterrecht* betreffen, betrug die Verfahrensdauer mehrere Jahre. Allerdings lag das hier nicht nur an der Schwierigkeit der Materie, die bei einem Provisionsanspruch im Handelsrecht immer gegeben ist, sondern auch an mehrfachem Richterwechsel.
Dem Verfahren lag die Rückforderung von Provisionsvorschüssen (§ 87a Abs. 2 HGB) nach Beendigung eines Handelsvertretervertrages zugrunde.
*Das Handelsvertreterrecht weist Unterschiede zum Arbeitsrecht auf. Teilweise gibt es aber auch Ähnlichkeiten.
Beendigung des Handelsvertretervertrages
Die Beendigung des Vertragsverhältnisses wurde von meiner Mandantin angestrebt. Sie stand unter zeitlichem Druck, was die gegnerische Versicherung ausnutzte. Denn diese wollte das Vertragsverhältnis nur einvernehmlich beenden, wenn meine Mandantin sich bereit erklärt, ca. 5.000,– € für stornierte Verträge zu zahlen.
Meine Mandantin nahm diese Vereinbarung an, da sie glaubte, die Angelegenheit sei damit erledigt. Aber sie hatte sich geirrt. Denn 2 ½ Jahre später wurde ihr eine Klage zugestellt, die die Rückforderung von Provisionsvorschüssen i.H.v. ca 19.000,– € betraf. Meine Mandantin “fiel aus allen Wolken”.
Das Gerichtsverfahren
Die Klage war “gewöhnungsbedürftig”. Denn wichtige Ausführungen zu den einzelnen Ansprüchen fehlten.
Dementsprechend war auch unsere Klageerwiderung zunächst nicht sehr umfangreich. Wir konnten uns einerseits zunächst teilweise darauf beschränken, die für die Erhaltung des Versicherungsvertrages erforderliche Nachbearbeitung der Klägerin zu bestreiten.
Andererseits haben wir die Aufrechnung mit dem bereits gezahlten Betrag erklärt, denn der damaligen Vereinbarung zur Beendigung des Vertragsverhältnisses lag keine Aufstellung zugrunde, auf welche Versicherungsverträge, sich die Zahlung bezog.
Zudem gab es zu Gunsten meiner Mandantin eine Stornoreserve i.H.v. ca. 13.000,– €, die die Gegenseite nicht erwähnt hatte. Wir erklärten die Aufrechnung.
Der dann folgende Schriftwechsel war beiderseits erheblich umfangreicher. Ein Hauptschwerpunkt betraf die für die Erhaltung des Versicherungsvertrages erforderliche Nachbearbeitung der Klägerin.
Erste und zweite mündliche Verhandlung
In der ersten mündlichen Verhandlung zur Rückforderung von Provisionsvorschüssen ging es im Wesentlichen darum, aufgrund der vorliegenden Sachlage evtl. Vergleichsmöglichkeiten zu erörtern.
Der vorsitzende Richter war sehr gut vorbereitet. Seine Argumente waren stichhaltig. Denn eigentlich war es nicht im Interesse der Parteien 15 Zeugen zu Vorgängen zu hören, die Jahre zurück lagen.
Meine Mandantin hatte die Versicherungsverträge geschlossen. Sie wollte den Zeugen dieses Prozedere ersparen. Und die gegnerische Versicherung hätte eigentlich ein Interesse daran haben müssen, ihren Ruf nicht aufs Spiel zu setzen. Aber der war ihr offensichtlich egal.
Die Vergleichsverhandlungen scheiterten. Eine Beweisaufnahme war erforderlich.
Diese fand einige Monate später statt, wobei zunächst nur die Hälfte der Zeugen geladen wurde. Alle Zeugen bestätigten, dass es keinerlei Nachbearbeitung der Klägerin gegeben hatte.
Das Gericht unterbreitete – unter Berücksichtigung der Stornoreserve und des Ergebnisses der Beweisaufnahme – erneut einen Vergleichsvorschlag.
Wir waren einverstanden. Denn für einige Kleinverträge war eine Nachbearbeitung nicht erforderlich. Einige Verträge betrafen Familienangehörige meiner Mandantin. Und der vom Gericht vorgeschlagene “Aufschlag” auf die unstreitigen Beträge bewegte sich im Rahmen eines üblichen Vergleiches: 50% Risiko für beide Seiten.
Die Gegenseite lehnte den Vergleich ab. Ihre Begründung bezog sich im Wesentlichen darauf, dass die Stornoreserve auch Verträge betraf, die evtl. noch storniert werden konnten. Das war zwar unwahrscheinlich, denn die Verträge bestanden schon einige Jahre. Aber das änderte nichts am Ergebnis:
Ein Vergleich kam erneut nicht zustande. Zwar gab es keine Anordnung zum Ruhen des Verfahrens. Aber trotzdem passierte zunächst einige Jahre nichts.
Die Dritte mündliche Verhandlung
Die Gegenseite hatte zwischenzeitlich die Klage erweitert. Auffällig war, dass die Verträge und die Vertragssummen teilweise nicht zur ursprünglichen Klage passten. Daher gaben wir dazu eine umfangreiche Stellungnahme ab.
In der – inzwischen dritten – mündlichen Verhandlung ging es erneut um einen Vergleich. Die nunmehr verantwortliche Richterin machte auch keinen Hehl daraus, wie sich das Verfahren weiter entwickeln würde: Die Hälfte der Zeugen wurde noch nicht gehört. Es waren weitere Jahre vergangen. Und sie würde für eine erneute Beweisaufnahme nicht zur Verfügung stehen, da ihr Mutterschutz kurz bevorstand.
Ihr Vergleichsvorschlag war fair. Wir stimmten zu.
Bei der Gegenseite gab es ein Problem: Die Klägervertreter hatten eine Terminsvertreterin beauftragt. Und ganz offensichtlich hatten sie es versäumt, die Kollegin umfassend zu informieren. Ihre Handakte umfasste nur wenige Seiten – meine dagegen zwei (große) Leitz-Ordner.
Die Kollegin tat mir leid. Denn auch die neue Richterin war gut vorbereitet. Mangels entsprechender Informationen konnte die Terminsvertreterin aber nicht nachvollziehen, worüber die Richterin und ich diskutierten.
Daher wurde ein Vergleich unter dem Vorbehalt des Widerrufs geschlossen. Von Seiten der Klägervertreter erfolgte der Widerruf des Vergleichs.
Die vierte mündliche Verhandlung
Es war erneut eine neue Richterin zuständig. Die Verfahrensdauer betrug mittlerweile 6 Jahre. Und noch immer war die Hälfte der Zeugen nicht gehört worden. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass die streitgegenständlichen Versicherungsverträge vor 9 Jahren geschlossen worden.
Dass es in der vierten Hauptverhandlung erneut um einen Vergleich gehen würde, war daher schon vor der Verhandlung klar. Angesichts des Verfahrensverlaufs hatte die Richterin auch angeordnet, dass für die Klägerin ein Anwalt erscheinen muss, der zum Abschluss eines Vergleichs bevollmächtigt ist.
Das kümmerte die Klägervertreter aber wenig. Es erschien wieder ein Terminsvertreter, der keine Ahnung hatte, worum es überhaupt ging. Die Richterin fand deutliche Worte. Aber das änderte nichts an der Situation: Ein Vergleich konnte erneut nur unter dem Vorbehalt des Widerrufs geschlossen werden.
Allerdings war auch diese Richterin sehr gut vorbereitet. Ihre Ausführungen, die sie auch protokollierte, waren ausführlich und sie enthielten Argumente, die die Gegenseite zum Nachdenken bewegen mussten.
Der Vergleich wurde nicht widerrufen.
Rückforderung von Provisionsvorschüssen: Fazit:
Nach 6-jähriger Verfahrensdauer gab es – unter Berücksichtigung der Stornoreserve und des Ergebnisses der Beweisaufnahme – einen Vergleich, der nur 1/3 der ursprünglich diskutierten Vergleichszahlung betrug.
Und wegen der zu berücksichtigenden Stornoreserve gab es eine Kostenquotelung, die meine Mandantin nur in einem sehr geringen Umfang betraf.
Das Ergebnis: Die meiner Mandantin durch die Gegenseite zu erstattenden Anwaltsgebühren waren höher, als die Vergleichssumme. Sie erhielt daher Geld zurück.
Was die Gegenseite sich bei diesem Verfahren gedacht hat, ist mir schleierhaft. Denn die Jahre zuvor diskutierten Vergleichsvorschläge wären für sie günstiger gewesen.
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