Nach wie vor werden viele Shop-Betreiber oder gewerbliche eBay-Händler mit einem Problem konfrontiert, das erhebliche finanzielle Folgen haben und bei kleineren Shops zum Ruin führen kann: Denn sie erhalten eine Abmahnung im Wettbewerbsrecht.
Abmahnung im Wettbewerbsrecht: Rechtsmissbrauch
Obwohl von der Rechtsprechung (früher) nur in Ausnahmefällen anerkannt, kann eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung – abhängig von den Umständen des Einzelfalles – auch rechtsmissbräuchlich sein. Nach der früheren Gesetzeslage war das der Fall, wenn bei der Abmahnung offensichtlich das Interesse, Gebühren zu erzielen, im Vordergrund steht.
Die Rechtsprechung hatte einige weitere Kriterien herausgearbeitet, nach denen in Einzelfällen die Verfolgung eines Wettbewerbsverstoßes als rechtsmissbräuchlich angesehen werden kann.
Indizien für Rechtsmissbrauch
LG Bochum, Urteil vom 21.04.2010, I-13 O 261/09:
Die Entscheidung war im Zusammenhang mit Abmahnungen an einen Online-Shop ergangen, der gewerblich Computerartikel vertreibt. Das LG sah folgende Indizien für den Rechtsmissbrauch:
- Formulierung mehrerer Abmahnungen wegen des gleichen Sachverhaltes, die auch problemlos hätten gebündelt werden können,
- Festlegung der geforderten Vertragsstrafe auf 7.000,– Euro je Verstoß in der vorformulierten Unterlassungserklärung,
- Ausübung erheblichen Drucks auf den Abgemahnten durch sehr kurze Fristen und Hinweis auf entstehende höhere Kosten für den Fall einer gerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs,
- Vorgehen in getrennten Verfahren gegen die Firma selbst und die Geschäftsführerin wegen desselben Verstoßes ohne sachlich nachvollziehbaren Grund (weder ein wirtschaftliches oder wettbewerbsrechtliches Interesse)
LG Bochum, Urteil vom 13.07.2010, 12 O 235/10
In dieser Entscheidung nahm das LG zu folgenden Indizien Stellung:
- Ansatz eines Gegenstandwertes, der der Bedeutung der Sache nicht angemessen ist
- die Frist für die Abgabe der Unterlassungserklärung und die Erstattung der Abmahnkosten endet am gleichen Tag
- eine nach Hamburger Brauch abgegebene Unterwerfungserklärung wird nicht akzeptiert
Abmahner trägt die Anwaltskosten nicht
Diese Entscheidung ist eine absolute Ausnahme. Denn es handelt sich um ein Strafverfahren. Und der Nachweis, dass wettbewerbsrechtliche Abmahnungen in betrügerischer Absicht erfolgen, ist nur selten möglich.
In diesem Verfahren (BGH 1 StR 483/16 – Beschluss vom 8. Februar 2017) ging es u.a. darum, dass der Abmahnanwalt und sein Mandant vereinbart hatten, dass der Mandant die Anwaltskosten nicht selbst trägt. Vielmehr wurden die durch die Abmahnungen erzielten Einnahmen vereinbarungsgemäß zwischen beiden geteilt. Der BGH sieht darin den klassischen Fall des Rechtsmissbrauchs.
Wirtschaftliches Missverhältnis der Abmahntätigkeit
Auch die Sachverhalte, mit denen sich das LG Hamburg (Urteil vom 07.02.2017 – 312 O 144/16) und das OLG Hamm (Urteil vom 15.09.2015 – 4 U 105/15) zu befassen hatten, betreffen einen typischen Fall des Rechtsmissbrauchs: Die Abmahntätigkeit der Kläger stand in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit der Abmahnenden.
Neue Regelung in § 8c UWG
Durch das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ wurden in § 8c UWG nunmehr einige Kriterien festgelegt, die bei einer Abmahnung im Wettbewerbsrecht für einen Rechtsmissbrauch sprechen. Einige dieser Kriterien entsprechen den o.a. Indizien, die zuvor durch die Rechtsprechung herausgearbeitet wurden.
Aber es bleibt dabei, dass ein Rechtsmissbrauch bei einer Abmahnung im Wettbewerbsrecht immer im Gesamtzusammenhang zu prüfen ist.
Dabei ist eine Gesamtbewertung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen. Auch die Schwere der Rechtsverletzung sowie das Interesse des Mitbewerbers an der Ausräumung der Wiederholungsgefahr sind bei der Beurteilung einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung im Wettbewerbsrecht zu berücksichtigen.