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Verbreitung + Besitz kinderpornografischer Inhalte: Mindeststrafe

Veröffentlicht am

Aktualisiert: 19.07.2024

viele Paragrafen, davor ein Achtungszeichen

Update:

Mit dem Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 des Strafgesetzbuches – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte vom 24.06.2024 – wurden einige der u.a. Strafverschärfungen zurück genommen.

Die Mindeststrafe in Abs.1 (u.a. Verbreitung) wurde auf 6 Monate herunter gesetzt und die in Abs. 3 (u.a. Besitz) auf 3 Monate. Damit handelt es sich nicht mehr um ein Verbrechen.

Der ursprüngliche Beitrag (ergänzt mit Hinweisen zur aktuellen Situation):

Die strafrechtlichen Regelungen zur Verbreitung, dem Erwerb und dem Besitz kinderpornografischer Inhalte (§ 184b StGB) wurden in den letzten Jahren mehrfach verschärft und geändert.

Die schärfste Änderung erfolgte 2021. Denn der ursprüngliche Strafrahmen (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren) wurde erhöht auf die Androhung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. D.h. Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte waren seit dem 01.07.21 (bis zum 24.06.2024) ein Verbrechen.

Im Vorfeld der letzten Strafverschärfung (2021) hatte es etliche (berechtigte) gegenteilige Auffassungen verschiedener Strafrechtler und Kriminologen gegeben. Auch bei einer Bundestagsanhörung gab es deutliche Kritik. Dabei ging es insbesondere darum, das auch minder schwere Fälle als Verbrechen verfolgt werden mussten.

Die Warnungen und gegenteiligen Auffassungen verhallten ungehört.

Das Problem der Strafverschärfung – ein Beispiel

Vor einigen Jahren (vor 2021) habe ich einen (jugendlichen) Mandanten in einem BtM-Verfahren (Betäubungsmittelstrafrecht) vertreten.

In diesem Ermittlungsverfahren wurde sein Handy durchsucht. Und die Polizei fand ein evtl. (ich war der Auffassung, dass das Video Jugendliche zeigt) kinderpornografisches Video, das in einer WhatsApp-Gruppe geteilt wurde. Es handelte sich um eine Gruppe, in der Memes geteilt wurden.

Mein Mandant hatte nicht alle Inhalte, die in der Gruppe geteilt wurden, gesehen. Ihm war das Video weder bekannt, noch bewusst.

Ein weiteres Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet, denn er besaß (evtl.) kinderpornografische (auf jeden Fall jugendpornografische) Inhalte. Und das war (und ist) strafbar. Ich konnte erreichen, dass dieses Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurde.

Es gibt zwar im Jugendstrafrecht generell mehr Reaktionsmöglichkeiten und Möglichkeiten, einen Strafrahmen zu unterschreiten. Aber bei einem Verbrechen sind die Staatsanwaltschaften eher nicht bereit, ein Verfahren einzustellen. Normalerweise erheben sie in diesen Fällen Anklage und begründen die Zuständigkeit des Jugendschöffengerichts.

Zwar hat das Gericht dann immer noch die Möglichkeit, ein Verfahren einzustellen. Aber bei der Rechtslage (2021 – 2024) war es dazu eher nicht bereit.

Der Jugendliche, der das o.a. Video noch nicht einmal gesehen hat, hätte sich – bei der Rechtslage (2021 – 2024) – vermutlich einer weiteren Gerichtsverhandlung stellen müssen. Und obwohl das Jugendschöffengericht eine besondere Befähigung im Umgang mit Jugendlichen hat, ist ein derartiges Gerichtsverfahren keine angenehme Angelegenheit.

Strafverschärfung 2021 – weitere Probleme

Den (bei der Gesetzesänderung übergangenen) Strafrechts-Praktikern war klar, welche Probleme die Strafverschärfung mit sich bringen wird. Denn das Spektrum der Sachverhalte ist bei diesem Delikt sehr umfangreich.

Dabei geht es u.a. auch darum, dass sich Eltern strafbar machen, die entsprechende Bilder auf den Handys ihrer Kinder finden und diese an andere Eltern zur Warnung weiterschicken.

Ebenso war u.a. auch das nicht rechtzeitiges Löschen eines dem Empfänger ungewollt übermittelten kinderpornografischen Bildes (z.B. in einer WhatsApp-Gruppe – siehe das Beispiel oben) zwischen 2021 und 2024 ein Verbrechen.

Dazu kommt: Selbst das rechtzeitige Löschen kann u.U. zur Strafverfolgung führen. Denn möglicherweise befindet sich das Bild noch im Cache-Ordner des Handys, den der durchschnittliche User nicht einmal kennt.

Durch das Löschen der WhatsApp-Nachricht inklusive Bild kann der User nicht mehr nachweisen, dass er die Nachricht ungewollt bekommen hat. Und den Cache-Ordner kennt er nicht.

Erfahrungsgemäß ist es aber außerordentlich schwer, manchen Staatsanwaltschaften und Gerichten verständlich zu machen, dass den – ordnungsgemäß handelnden – User hier kein Verschulden trifft.

Diese (und andere) Fälle sind nicht mit dem bewussten Download kinderpornographischer Bilder und Videos im Internet vergleichbar.

Forderungen, das Gesetz erneut zu ändern

Wie zu erwarten war, gab es zeitnah nach der Strafverschärfung 2021 Verfahren mit Konstellationen, die den o.a. Beispielen ähneln. Ein Amtsrichter aus München hielt die Norm des § 184b StGB i.d. Fassung von 2021 für verfassungswidrig. Meines Erachtens war seine Auffassung zutreffend.

Auch die Justizminister der Länder hatten bereits 2022 gefordert, dass die Regelungen (i.d. Fassung von 2021) überarbeitet werden müssen. Aber der Bundesjustizminister stand dieser Forderung zunächst zurückhaltend gegenüber und ging erst später darauf ein.

Aktuelle Fassung des § 184b StGB

Wie oben in dem Update schon ausgeführt, gilt seit dem 24.06.2024 für die Verbreitung, den Erwerb und den Besitz kinderpornografischer Inhalte eine Mindestfreiheitsstrafe von 6 Monaten. Das betrifft – vereinfacht ausgedrückt – die Verbreitung.

Für den in Abs. 3 geregelten Besitz gilt nunmehr eine Mindestfreiheitsstrafe von 3 Monaten.

Verbreitung und Besitz kinderpornografischer Inhalte

Dazu ein Beispiel, das dem o.a. ähnelt:

Ein Schüler zeigt seinem Lehrer ein entsprechendes Bild, das er ungewollt über eine WhatsApp-Gruppe erhalten hat. Der Lehrer will die anderen Eltern seiner Klasse warnen. Daher lässt er sich die Nachricht inklusive Bild weiter leiten und schickt diese als Warnung an die anderen Eltern. Der Elterngruppe gehören ca. 30 Personen an.

Bereits dieses eine Bild wurde aufgrund technischer Vorgänge mehrfach auf seinem Handy – in verschiedenen Größen – gespeichert. Diese Bilder haben verschiedene Hashwerte. Hashwerte sind – vereinfacht ausgedrückt – „Fingerabdrücke“ von Dateien.

Ein Gutachter wird daher zu dem Ergebnis kommen, dass sich (wegen der verschiedenen Größen) zwischen 3 und 5 Bilder auf dem Handy des Lehrers befinden. Und die Rechtsprechung zur Strafbarkeit des Besitzes derartiger Duplikate ist nicht einheitlich.

Dazu kommt die Verbreitung des Bildes in der Elterngruppe. Die Staatsanwaltschaft wird hier zunächst die Verbreitung an eine unbestimmte Anzahl Empfänger annehmen. Selbst wenn sich das später klärt, ist es eine erhebliche Anzahl von Empfängern.

Diese beiden Handlungen (Besitz und Verbreitung) konnten in der Fassung des Gesetzes (2021 – 2024) eine Freiheitsstrafe nach sich ziehen, die möglicherweise nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden konnte.

Das ist aber nunmehr wieder möglich. Die Gesetzesänderung 2024 führt nicht nur dazu, dass in Fällen – wie dem o.a. Beispiel – die Möglichkeit des Ausspruchs einer Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden kann, besteht.

Es kommt bei derartigen Sachverhalten nunmehr auch wieder eine Einstellung des Verfahrens in Betracht.

Die Empfänger des Bildes

Die Mitglieder der entsprechenden WhatsApp-Eltern-Gruppe dürfen sich (ebenfalls) auf den Besuch mehrerer (vermutlich uniformierter) Polizeibeamter „freuen“. Da Durchsuchungen meistens sehr früh stattfinden, bleibt eine derartige Maßnahme häufig auch den Nachbarn nicht verborgen.

Dazu kommen die o.a. Folgen: Selbst wenn die Nachricht und das Bild gelöscht wurden, befinden sich möglicherweise noch Kopien in – dem User unbekannten – Unterordnern auf dem Handy. Und einige Staatsanwaltschaften und Gericht neigen dazu, eine Strafbarkeit hinsichtlich des Besitzes solcher Duplikate anzunehmen.

Was bedeutet das für Sie?

  • Handeln Sie nicht unüberlegt, selbst wenn es Ihnen darum geht, andere zu warnen.
  • Vermeiden Sie die Teilnahme an WhatsApp-Gruppen, deren Inhalte Sie sich nur gelegentlich ansehen. Das gilt insbesondere für Gruppen, in denen Memes geteilt werden.
  • Sensibilisieren Sie auch Ihre Kinder für diese Problematik. Denn erfahrungsgemäß sehen Kinder und Jugendliche derartige Inhalte teilweise als „Spaßbilder“ an und teilen diese.

Verbreitung + Besitz kinderpornografischer Inhalte: Fazit

Es war nicht nur dringend erforderlich, die Strafverschärfung rückgängig zu machen (oder Bestimmungen für minder schwere Fälle einzuführen).

Denn es ist auch immer noch erforderlich, den technischen Hintergründen mehr Aufmerksamkeit zu widmen – und die Staatsanwaltschaften und Gerichte entsprechend zu schulen.

Der BGH kann nur entscheiden, wenn ihm ein entsprechendes Verfahren vorliegt. Und das ist m.E. bisher in vergleichbaren Fällen nicht der Fall. Daher kann ein Rechtsanwalt hier nicht auf BGH-Rechtsprechung verweisen.

Es gibt zwar (erstinstanzliche) Rechtsprechung zu Inhalten, die den Cache eines Computers betreffen. Und obwohl auch diese Dateien dem durchschnittlichen User nicht bekannt sind, ist es bei einem Handy noch komplizierter.

Denn die Vervielfältigung eines Bildes findet ohne Zutun des Users im Hintergrund statt, weil – durch technische Vorgänge – verschiedene Bildgrößen gespeichert werden. Aber diese befinden sich in Dateien, auf die der User keinen Zugriff hat. Und diese Kopien können ihm meines Erachtens nicht angelastet werden.

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