Der Erfolg der Strafverteidigung kann nicht (nur) an erzielten Freisprüchen oder Verfahrenseinstellungen gemessen werden. Denn diese sind relativ selten.
Erfolgreich ist die Strafverteidigung auch dann, wenn im Urteil eine Strafe ausgesprochen wird, die unter der angedrohten Mindeststrafe liegt.
Raub
Der Grundtatbestand des Raubes ist in § 249 StGB geregelt:
„Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.“
§ 249 StGB
Voraussetzung für den Raub sind also
- das Tatobjekt: Eine fremde bewegliche Sache
- die Tathandlung: Wegnahme und
- das Nötigungsmittel: Gewalt oder Drohung
Schwerer Raub – Mindeststrafe
Kommen besondere Umstände hinzu, ist der Tatbestand des schweren Raubes gemäß § 250 StGB erfüllt. Das führt zu einer deutlich höheren Strafandrohung von mindestens drei bzw. fünf Jahren Freiheitsstrafe. Der Tatbestand des schweren Raubes ist erfüllt, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter den Raub
- mit Waffen oder anderen gefährlichen Werkzeugen oder
- als Mitglied einer Bande begeht.
Bereits durch das Beisichführen einer Waffe oder gefährlichen Gegenstandes wird der Raub zu einem schweren Raub (§ 250 Abs. 1 StGB).
Wird die Waffe oder das gefährliche Werkzeug auch verwendet (z.B. zur Drohung) ist § 250 Abs. 2 StGB erfüllt.
Dadurch erhöht sich für schweren Raub die Mindeststrafe auf fünf Jahre Freiheitsstrafe.
Sachverhalt
Die Tatsache, dass der eines schweren Raubes verdächtigte Mandant mich in der Kanzlei aufsuchte, war außergewöhnlich. Denn normalerweise bin ich bei derartigen Delikten die Besucherin – in der Haftanstalt.
Der Mandant befand sich auf freiem Fuß, weil der Haftbefehl von der zuständigen Richterin gegen verschiedene Auflagen außer Vollzug gesetzt wurde.
Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls
Die Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls ist in § 116 StPO geregelt:
Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich
- die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
- die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
- die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
- die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.
Werden die Auflagen nicht erfüllt oder kommen neue Umstände, die die Verhaftung erforderlich machen, hinzu, wird der Vollzug des Haftbefehls angeordnet.
Trotz der Schwere des Tatvorwurfes und der zu erwartenden Freiheitsstrafe gab es einen Moment, bei dem ich mir das Lachen nicht verkneifen konnte (der Mandant hat es verstanden). Er schilderte mir, dass er nach dem Raub seinen Rucksack versteckt hatte.
Ich fragte mich in Gedanken, ob sein Personalausweis da drin war und musste bei diesem Gedanken grinsen. Und dann stellte ich ihm diese Frage laut. Seine Antwort “Nicht der Personalausweis, aber ein an mich adressiertes Schreiben meines Arbeitgebers” führte dann zu dem o.a. Ergebnis: Es blieb nicht mehr beim Grinsen.
Vor der Tat
Mein Mandant hatte seine weiter entfernt wohnende Freundin besucht. Und diese hatte ihm für den Rückweg ihren PKW überlassen. Sie wusste zwar, dass er “knapp bei Kasse“ war, aber das wirkliche Ausmaß seiner finanziellen Schwierigkeiten wollte er ihr nicht offenbaren.
Hätte er seinen falschen Stolz überwunden, wäre es vermutlich nicht zu der Straftat gekommen.
Aber da er sich dazu nicht durchringen konnte, hatte er ein Problem: Er wusste, dass der Tankinhalt nicht für die Rückfahrt reichte und er hatte nicht genug Geld zum Tanken. Es gab naheliegende Möglichkeiten, aber die hätten erfordert, dass er sein finanzielles Desaster gegenüber seinen Eltern oder Freunden offenbart. Und genau das wollte er nicht.
Es war bereits nach Mitternacht und der Tank war fast leer. Zwei Tankstellen befanden sich in der Nähe, die nächste war zu weit weg. Er geriet in Panik und beschloss, eine der Tankstellen in der Nähe auszurauben.
Tatbegehung
Alles, was er dazu benötigte, befand sich in seinem Rucksack: Ein kleines Messer, das vom Picknick mit seiner Freundin stammte, ein Hoodie, sowie Handschuhe und eine Mütze, die er in eine Maske verwandelte.
In der Tankstelle hielt sich nur ein Mitarbeiter auf, keine Kunden. Eine Klingel, die das Eintreten eines Kunden signalisiert, gab es nicht. Weshalb ist das wichtig? Hätte das Betreten der Tankstelle einen Klingelton ausgelöst, wäre mein Mandant möglicherweise zur Vernunft gekommen und abgehauen – er war unsicher.
So aber konnte er die Tankstelle unbemerkt von dem Mitarbeiter betreten. Denn dieser stand – außerhalb des Kassenbereiches – ca. 2 Meter entfernt mit dem Rücken zu ihm.
Mein Mandant hatte das Messer zunächst in der Hand, hat es aber später weggelegt. Juristisch hat er damit das Tatbestandsmerkmal des “Verwendens” erfüllt, wodurch die Straftat als schwerer Raub gem. § 250 Abs. 2 StGB einzuordnen ist. Er hatte einen Betrag im unteren vierstelligen Bereich aus der Kasse entnommen.
Der Tankstellen-Mitarbeiter wurde nicht verletzt.
Nach der Tat
Eine derartige Tat führt zu einem sofortigen Polizeieinsatz, der mit einem erheblichen Ermittlungsaufwand verbunden ist. Die entsprechenden Maßnahmen werde ich hier nicht erläutern.
Nur so viel: Mein Mandant fuhr zu der naheliegenden zweiten Tankstelle und tankte. Dann fuhr er in Richtung seiner Wohnung. Unterwegs sah er Polizeifahrzeuge und beschloss, das Messer und die Bekleidung, die er bei dem Überfall trug, in seinem Rucksack im Wald zu verstecken.
Dass er von den Polizeikontrollen nicht angehalten wurde, war nur Glück.
Wie oben bereits ausgeführt, wurde der Rucksack, in dem sich u.a. ein an meinen Mandanten adressiertes Schreiben befand, wenige Stunden später in der näheren Umgebung des Tatortes aufgefunden. Weitere Ermittlungsmaßnahmen erhärteten den Verdacht gegen meinen Mandanten.
Meinem Mandanten war nicht klar, wie viele Beweise gegen ihn sprachen. Das Schreiben in seinem Rucksack hatte er vergessen.
Aber er war nach der Tat “wieder zu Bewusstsein gekommen” und hatte erhebliche Gewissensbisse. Zunächst wusste er nicht, was er tun sollte. Daher fuhr er zu seiner Freundin, um diese von der Tat in Kenntnis zu setzen und um Rat zu bitten. Beide kamen überein, dass er sich der Polizei stellen wird.
Zeitgleich fand eine Durchsuchung seiner Wohnung statt. Seine (bis dahin) ahnungslosen Eltern informierten ihn von der Durchsuchung und nannten ihm die Kontaktdaten des ermittelnden Polizeibeamten.
Mein Mandant rief ihn an und erklärte, dass er sich stellen wird, was er auch umsetzte.
Das Ermittlungsverfahren
In der Beschuldigtenvernehmung war mein Mandant in vollem Umfang geständig. Die zuständige Staatsanwaltschaft hatte zuvor bereits einen Haftbefehl beantragt, der auch erlassen wurde. Mein Mandant wurde der Ermittlungsrichterin vorgeführt. Er war auch bei der richterlichen Vernehmung in vollem Umfang geständig.
Da er sich selbst gestellt hatte und geständig war, wurde der Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Unmittelbar danach hatte der Mandant mich aufgesucht und mit seiner Verteidigung beauftragt.
Die Auflagen beinhalteten u.a. eine regelmäßige Meldepflicht bei der für ihn zuständigen Polizeiinspektion. Er musste auch seinen Reisepass hinterlegen. Jedoch wurde ihm – zunächst – nicht verboten, Deutschland zu verlassen.
Das war nicht unproblematisch. Denn seine Freundin wohnt nicht in Deutschland und er hatte auch eine vorübergehende Arbeitsstelle in Aussicht, wobei sich der Arbeitsort ebenfalls nicht in Deutschland befand. Und wir wussten nicht, wie die Staatsanwaltschaft auf eine Fahrt über die Grenze reagieren würde.
Zunächst hatten wir es dabei belassen, dass er die Polizeiinspektion von einem Kurztrip über die Grenze informiert und sich dann wieder ordnungsgemäß meldet. Das ist auch erfolgt, war auf Dauer aber keine Lösung. Die Gefahr des über ihm schwebenden Haftbefehls war zu groß.
Also informierten wir die zuständige Staatsanwaltschaft mit der Bitte, die Reisen zu genehmigen. Diese erwirkte jedoch einen Beschluss der zuständigen Ermittlungsrichterin, die die Auflagen erweiterte – mit dem Verbot das Gebiet der BRD zu verlassen.
Mein Mandant fügte sich, die Treffen mit der Freundin wurden so organisiert, dass sie in der BRD stattfanden. Den Job konnte er nicht annehmen.
Täter-Opfer-Ausgleich
In seiner Beschuldigtenvernehmung wurde mein Mandant über die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs informiert. Er stimmte zu.
Er hatte aber nur verstanden, dass es die Möglichkeit gibt, sich bei dem Tankstellenmitarbeiter und dem Pächter zu entschuldigen, den Schaden auszugleichen und evtl. ein Schmerzensgeld zu zahlen. Dass sich das strafmildernd auswirken würde, wusste er nicht.
Er hat die Straftat zutiefst bereut. Und es war ihm allein wichtig, ein Stück Wiedergutmachung zu leisten – wissend, dass es die Tat nicht ungeschehen machen würde.
Pächter und Tankstellenmitarbeiter lehnten einen Täter-Opfer-Ausgleich zunächst ab. Unabhängig davon zahlte mein Mandant das erbeutete Geld zurück und entschuldigte sich schriftlich.
Der Täter-Opfer-Ausgleich ist in den §§ 155a, § 155b StPO, 46a StGB geregelt. Im Wesentlichen geht es dabei darum, einen Konflikt beizulegen oder zumindest zu verringern.
Dazu gehört aber nicht nur ein finanzieller Ausgleich. Denn es geht auch darum, dass der Täter die spezielle Situation des Opfers nachvollziehen soll. Er soll den Unrechtsgehalt seiner Tat erkennen.
Ich nahm daher Kontakt zu dem Pächter und dem Tankstellenmitarbeiter auf, um einen “richtigen” Täter-Opfer-Ausgleich zu ermöglichen. Das war schwierig – der Pächter hielt es für einen anwaltlichen Trick. Aber er erkannte schließlich, dass es das nicht war und die Reue meines Mandanten echt war.
Daher konnten wir dann auch einen “echten” Täter-Opfer-Ausgleich durchführen: Mein Mandant war erschüttert, als ich ihm erzählte, dass seine Straftat dazu geführt hatte, dass verdrängte – weit zurückliegende – traumatische Erfahrungen dem Tankstellenmitarbeiter nun wieder allgegenwärtig waren.
Das ließ sich nicht mehr rückgängig machen. Aber der Tankstellenmitarbeiter akzeptierte schließlich die Entschuldigung und das Schmerzensgeld, das wir ihm anboten.
Das gerichtliche Verfahren
Diesen Teil kann ich kurz fassen. Es gab keinerlei kaum eine Überraschung. Mein Mandant war in vollem Umfang geständig. Die Beweismittel waren eindeutig. Meinem Mandanten waren die Auswirkungen seiner Straftat bewusst. Und es war ihm deutlich anzumerken, wie sehr er seine Handlungen bereute.
Strafzumessung: Schwerer Raub – Mindeststrafe unterschritten
Wie oben bereits angegeben, beträgt die Mindestfreiheitsstrafe für dieses Delikt fünf Jahre. Zwar hatte ich mit meinem Mandanten besprochen, dass diese Mindestfreiheitsstrafe aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles unterschritten werden kann.
Aber er wusste auch, dass eine Reduzierung auf zwei Jahre, was eine Strafaussetzung auf Bewährung ermöglichen würde, nur theoretisch möglich, tatsächlich aber wenig realistisch war.
Daher hatte er in der gesamten Verhandlung auch zu erkennen gegeben, dass er mit einer unbedingten Freiheitsstrafe rechnet. Das heißt: Er rechnete mit einer Freiheitsstrafe, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
Aus diesem Grund hatte mich ein Randgeschehen bei der Urteilsverkündung erstaunt geschockt: Während bis dahin, keine Sicherheitsbeamten in der Hauptverhandlung anwesend waren, tauchten diese jedoch bei der Urteilsverkündung auf.
Das bedeutete: Es stand im Raum, dass die Staatsanwaltschaft beantragen würde, den immer noch vorhandenen Haftbefehl zu vollziehen und dass das Gericht diesem Antrag stattgeben würde. Die Begründung wäre Fluchtgefahr aufgrund der ausgesprochenen Freiheitsstrafe.
Das war aber Quatsch. Mein Mandat kannte die Mindestfreiheitsstrafe von Anfang an. Er wusste, dass eine Bewährungsverurteilung unrealistisch war. Er hatte sich selbst gestellt und danach über Monate dem Verfahren nicht entzogen. Warum sollte er jetzt fliehen?
Das Gericht hatte meinen Mandanten zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt.
Diese Strafe lag weit unter der Mindeststrafe beim schwerem Raub. Warum also die Sicherheitsbeamten bei der Urteilsverkündung? Hätten wir nicht auf Rechtsmittel verzichtet, hätte mein Mandant die Verhandlung in Handschellen verlassen.
Es waren nur noch wenige Tage bis Weihnachten. Und mein Mandant wollte Weihnachten mit seiner Familie und mit seiner Freundin verbringen. Darüber hinaus war eine Revision wenig erfolgversprechend. Also nahm er das Urteil an.
Der durch die Anwesenheit der Sicherheitsbeamten erzeugte Druck war absolut überflüssig.
Mein Mandant konnte Weihnachten bei seiner Familie verbringen und verbüßte dann ab Mitte Januar die Freiheitsstrafe.
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