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Kein Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigung

Veröffentlicht am

Aktualisiert: 14.06.2023

Hände auf Tastatur, Hintergrund: 100,- Euro-Scheine

Damit ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot verbindlich ist, muss der Arbeitgeber sich verpflichten, „für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht.“(§ 74 HGB).

Oft sind die vertraglichen Vereinbarungen zum Wettbewerbsverbot jedoch unwirksam. Dass die juristische Einschätzung zu derartigen Vereinbarungen trotzdem kompliziert ist, zeigt ein Verfahren des Bundesarbeitsgerichts.

Sachverhalt

Die klagende Arbeitnehmerin hatte nach mehr als fünfjähriger Betriebszugehörigkeit ihr Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung beendet. Der Arbeitsvertrag enthielt eine Klausel zur Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots für die Dauer von zwei Jahren. Eine Karenzentschädigung war nicht vorgesehen. Dagegen sah der Arbeitsvertrag für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsverbot eine Vertragsstrafe i.H.v. 10.000,00 Euro vor.

Die Klägerin hielt sich an das Wettbewerbsverbot. Sie forderte von ihrer ehemaligen Arbeitgeberin die Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe von 50 % ihres letzten Bruttogehaltes.

LAG Hamm, Urteil vom 05.06.2015 (10 Sa 67/15)

Wie schon das erstinstanzliche Gericht, gab auch das Landesarbeitsgericht der Klage statt. Zwar ist ein Wettbewerbsverbot ohne Vereinbarung einer Karenzentschädigung nichtig. Beide Gerichte argumentierten jedoch damit, dass der Arbeitsvertrag eine salvatorische Klausel enthielt. Danach sollte anstelle einer nichtigen oder unwirksamen Bestimmung eine angemessene Regelung gelten. Diese sollte dem am nächsten kommen, was die Vertragsparteien gewollt haben.

Arbeits- und Landesarbeitsgericht gingen jeweils davon aus, dass das nichtige Wettbewerbsverbot über die salvatorische Klausel durch ein wirksames Verbot ersetzt wird. Das führt im Ergebnis zu einer Karenzentschädigungszusage in der gesetzlichen Mindesthöhe.

Bei der Auslegung der vertraglichen Bestimmungen berücksichtigten beide Gerichte, dass die Arbeitgeberin aufgrund ihrer unternehmerischen Tätigkeit ein großes Interesse an der Einhaltung des Wettbewerbsverbotes hatte. Das zeigt sich auch an der Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass ein wirksames nachvertragliches Wettbewerbsverbot dem hypothetischen Parteiwillen der Beklagten entsprach. Das schloss die Zahlung einer Karenzentschädigung in gesetzlicher Höhe ein.

Das Landesarbeitsgericht führte u.a. aus:

„Dass die Beklagte möglicherweise gehofft hat, die Klägerin werde aus Unkenntnis auch ein entschädigungsloses Wettbewerbsverbot einhalten, ist unredlich und widerspricht der gesetzlichen Regelung des § 74 Abs. 2 HGB. Ein solcher Vorbehalt kann, insbesondere wenn er nach außen nicht in Erscheinung getreten ist, im Rahmen des hypothetischen Parteiwillens jedoch nicht berücksichtigt werden, der nach Treu und Glauben zu ermitteln und im Zweifel auf gesetzeskonformes Verhalten gerichtet ist. Unseriöses Verhalten gegenüber Arbeitnehmern bei der Formulierung von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten ist weder schutzwürdig, noch schutzbedürftig oder mutmaßlicher übereinstimmender Parteiwille.“

Die beklagte Arbeitgeberin  legte gegen diese Entscheidung erfolgreich Revision ein

BAG, Urteil vom 22. März 2017 (10 AZR 448/15)

Im Urteil des BAG wird u.a. ausgeführt:

„Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das entgegen § 74 Abs. 2 HGB keine Karenzentschädigung enthält, ist kraft Gesetzes nichtig. Eine salvatorische Klausel ist nicht geeignet, diese Folge zu beseitigen oder zu heilen.“

Fazit:

Im Sinne von Rechtssicherheit für beide Seiten ist diese Entscheidung zu begrüßen.

Allerdings ist auch die Argumentation des Landesarbeitsgerichts überzeugend. Denn diese berücksichtigt das Kräfteungleichgewicht zwischen den Parteien.

Der Arbeitsvertrag wurde von einem Anwalt entworfen. Daher steht im Raum, dass ihm und der Arbeitgeberin die Nichtigkeit der Klausel zum Wettbewerbsverbot bekannt war. Das würde im Ergebnis zu einer einseitigen Benachteiligung der Arbeitnehmerin führen, denn ihr waren die gesetzlichen Bestimmungen zum Wettbewerbsverbot vermutlich nicht bekannt. Daher sind die o.a. Überlegungen des Landesarbeitsgerichts unseres Erachtens nicht von der Hand zu weisen.


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