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Arbeitsrecht: Kündigung wegen Beleidigung

Veröffentlicht am

Aktualisiert: 19.01.2024

Kündigung wegen Beleidigung (Symbolbild): Handy mit Social-Media-Apps + PC-Tastatur

Eine Kündigung wegen Beleidigung ist ein Klassiker im Arbeitsrecht.

In einem Verfahren des LAG Rheinland-Pfalz (4 Sa 350/15) wurde die Kündigungsschutzklage abgewiesen (Fristlose Kündigung wegen Beleidigung). Zu einem anderen Ergebnis kam das LArbG Baden-Württemberg mit Urteil vom 22.6.2016 (Kündigung wegen Beleidigung von Vorgesetzten).

Wie die o.a. Beispiele zeigen, kommt es immer auf den Einzelfall an.

In einem aktuellen Fall hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 24. August 2023 – 2 AZR 17/23 – die zweitinstanzliche Entscheidung teilweise aufgehoben und die Sache insoweit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. In zwei parallel gelagerten Rechtsstreitigkeiten hat das BAG in gleicher Weise entschieden.

Beleidigungen in einer WhatsApp-Gruppe

Der Arbeitnehmer gehörte seit 2014 zu einer Chatgruppe mit fünf anderen Beteiligten. 2020 wurde ein ehemaliger Kollege als weiteres Gruppenmitglied aufgenommen. Die Gruppenmitglieder waren seit längerer Zeit befreundet und teilweise miteinander verwandt.

Die Chats betrafen teils rein private Themen. Teilweise hatte sich der Kläger – neben weiteren Gruppenmitgliedern – aber auch beleidigend, rassistisch, menschenverachtend und sexistisch über Vorgesetzte und Kollegen geäußert.

Der Arbeitgeber sprach eine fristlose Kündigung aus. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage.

Die Vorinstanzen hatten der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Sie gingen davon aus, dass der Kläger (Arbeitnehmer) sich hinsichtlich der Äußerungen auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen könne.

Die Revision der beklagten Arbeitgeber hatte in dem o.a. Umfang vor dem BAG Erfolg.

WhatsApp-Gruppe als geschützter privater Raum?

Ob Äußerungen in einer WhatsApp-Gruppe evtl. zu einer Art geschütztem privaten Raum gehören, hängt von verschiedenen Kriterien ab. Dazu zählen u.a:

  • Die Zusammensetzung der Gruppe: Besteht diese nur aus engsten Freunden und Familienmitgliedern, kann evtl. Vertraulichkeit gelten. Aber es kommt auch auf die
  • Größe der Gruppe an: Bei 10 oder mehr Mitgliedern können sich diese nicht in jedem Fall darauf verlassen, dass die Chats den „Gruppenraum“ nicht verlassen – es sei denn
  • der Anlass der Gruppenbildung ist sehr stark eingeschränkt: Dazu gehören z.B. ein Familientreffen zu Weihnachten oder anlässlich einer Hochzeit. Das gilt jedoch nicht für einen anderen
  • Zweck der Gruppe: Das betrifft z.B. – wie hier – Arbeitnehmer, die ihre Meinungen über verschiedene Dinge austauschen.

Aus der Pressemitteilung des BAG ergibt sich nicht, ob und inwieweit die Vorinstanzen dazu konkrete Feststellungen getroffen haben.

Gefahr der Weiterverbreitung der Äußerungen

Zwar handelt es sich in diesem konkreten Fall um eine relativ kleine Gruppe. Aber das schließt die Gefahr der Weiterverbreitung nicht grundsätzlich aus. Maßgeblich ist daher, ob der Arbeitnehmer (Kläger) auf die Vertraulichkeit der Äußerungen vertrauen durfte.

„Eine Vertraulichkeitserwartung ist nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das wiederum ist abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Sind Gegenstand der Nachrichten – wie vorliegend – beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben.“

Pressemitteilung des BAG zum Verfahren 2 AZR 17/23

Kündigung wegen Beleidigung: Fazit

Diese Entscheidung und die ganz oben verlinkten Urteile zeigen, dass es bei Beleidigungen von Vorgesetzten oder Mitarbeitern immer auf den konkreten Einzelfall ankommt.

Sie sind Arbeitnehmer:

Manchmal ist Kritik am Arbeitgeber oder an Kollegen berechtigt. Aber Kritik und Beleidigungen sind „zwei verschiedene Paar Schuhe“ – erst recht (aber nicht nur) wenn letztere ein Ausmaß annehmen, wie es in diesem Verfahren der Fall war.

Ob bei Beleidigungen in einer WhatsApp-Gruppe ein besonderer persönlichkeitsrechtlicher Schutz gegeben ist, dürfte in den meisten Fällen zweifelhaft sein.

Sie sind Arbeitgeber:

Bei weniger schwerwiegenden Beleidigungen und einer sehr langen beanstandungslosen Tätigkeit des Mitarbeiters ist evtl. zunächst eine arbeitsrechtliche Abmahnung erforderlich. Reagieren Sie nicht übereilt. Bei einer Kündigung wegen Beleidigung ist nach einer Kündigungsschutzklage der Weg über mehrere Instanzen sehr wahrscheinlich.

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