Zwar klingt es zunächst logisch, dass kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung ohne Arbeitsvertrag besteht. Aber hier ist eine besondere Konstellation zu berücksichtigen, die auch nicht selten ist. Ausgangspunkt dieses Rechtsstreits im Arbeitsrecht war ein
Kündigungsschutzverfahren
Nach der Kündigung durch den Arbeitgeber hatte der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben und siegte in der ersten Instanz: Das Arbeitsgericht Iserlohn stellte mit Urteil vom 15.08.2017 die Unwirksamkeit der Kündigung fest.
Und es verurteilte den Arbeitgeber, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigung zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.
Fortsetzung der Tätigkeit
Wenige Tage nach der Urteilsverkündung verlangte der Kläger die Weiterbeschäftigung. Der Arbeitgeber kam dem nach, da der Kläger mit Vollstreckungsmaßnahmen gedroht hatte.
Aber schon nach 1 ¼ Stunden geleisteter Arbeit erkrankte der Kläger. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte mehrere Wochen. Nachdem der Kläger danach 14 Tage gearbeitet hatte, war er erneut über mehrere Wochen arbeitsunfähig.
Der Arbeitgeber hat die vom Kläger geleisteten Arbeitsstunden vergütet, verweigerte aber die Vergütung für die durch Arbeitsunfähigkeit und an gesetzlichen Feiertagen ausgefallene Arbeitszeit.
Kündigungsschutzverfahren – zweite Instanz
Der beklagte Arbeitgeber hatte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn Berufung eingelegt. Und seine Erfolgschancen waren offenbar nicht schlecht. Denn in der zweiten Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Hamm beendeten die Parteien das Kündigungsschutzverfahren durch einen am 22. März 2018 geschlossenen Vergleich.
Dieser beinhaltete u.a. die Vereinbarung, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund fristgemäßer arbeitgeberseitiger Kündigung aus betrieblichen Gründen zum 30.09.15 aufgelöst wurde.
Damit war der Streit zwischen den Parteien aber noch nicht beendet.
Denn der Arbeitgeber verweigerte weiterhin die Entgeltfortzahlung. Und der Kläger nahm an, dass er Anspruch auf die Entgeltfortzahlung für die Tage seiner Arbeitsunfähigkeit und für die gesetzlichen Feiertage, die in der Zeit seiner Prozessbeschäftigung angefallen waren, habe. Daher klagte er erneut.
Kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung ohne Arbeitsvertrag
Nunmehr gab es drei Instanzen: Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, das Landesarbeitsgericht wies sie ab. Schließlich hat das BAG die Entscheidung des LAG mit Urteil vom 27.05.2020 – 5 AZR 247/19, bestätigt und entschieden:
„Wird ein gekündigter Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem titulierten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch vorläufig weiterbeschäftigt, bestehen keine Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Entgeltzahlung an Feiertagen, wenn sich nachträglich die Kündigung als wirksam erweist.„
Dabei berücksichtigte das BAG insbesondere, dass nach dem 30.09.15 kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hatte. Die Weiterbeschäftigung erfolgte nur zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung. Der Arbeitgeber erfüllte nur seine Pflicht aus dem vorläufig vollstreckbaren Titel. Dass er einen neuen Arbeitsvertrag abschließen wollte, ergibt sich daraus jedoch nicht.
Die Beschäftigung nach dem 30.09.15 erfolgte ohne Rechtsgrund. Aber der Arbeitgeber kann die erbrachte Arbeitsleistung nicht herausgeben. Daher waren die Zahlungen des Arbeitgebers nach der Kündigung keine Lohnzahlungen, sondern Wertersatz aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 818 BGB.
Dagegen hatte der Arbeitgeber während der Arbeitsunfähigkeit des Klägers und an Feiertagen keine Arbeitsleistungen erhalten. Daher muss er auch keinen Wertersatz leisten.