Meinem Mandanten wurde in einem Wirtschaftsstrafverfahren Vorteilsannahme (§ 331 StGB) vorgeworfen. Diese fällt unter den Oberbegriff der Korruption.
Korruption
Korruption ist kein eigener Straftatbestand, sondern ein Oberbegriff für mehrere Tatbestände. Dabei geht es um den Missbrauch einer Vertrauensstellung im öffentlichen, privaten, wirtschaftlichen oder politischen Bereich. Zu den Tatbeständen, die unter diesem Oberbegriff zusammen gefasst werden, gehören u.a.
- Vorteilsannahme
- Vorteilsgewährung (§ 333 StGB)
- Bestechung (§ 334 StGB)
- Bestechlichkeit (§ 332 StGB)
Wer als Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, macht sich wegen Vorteilsannahme strafbar.
Diese kann mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden. Die genaue Strafe hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, wie beispielsweise der Höhe des Vorteils, der Schwere der Tat oder der Stellung des Täters.
Vorteilsgewährung (§ 333 StGB) ist das Gegenstück zur Vorteilsannahme. Danach macht sich derjenige strafbar, der einem Amtsträger oder einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten für die Dienstausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten anbietet, verspricht oder gewährt.
Der Strafrahmen entspricht dem der Vorteilsannahme: Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
Die Bestechlichkeit (§ 332 StGB) bezieht sich ebenfalls auf Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete. Sie ist ein Qualifikationstatbestand zur Vorteilsannahme.
Der Unterschied besteht in den Begriffen Dienstausübung und Diensthandlung.
Dienstausübung bei der Vorteilsannahme bezieht sich nicht auf ein bestimmtes Verhalten. Sie erfasst jede Handlung, mit der ein Amtsträger eine dienstliche Aufgabe wahrnimmt.
Dagegen erfordert die Bestechlichkeit eine konkrete Diensthandlung, die zu einer Verletzung der Dienstpflichten führt.
Das konkrete Strafverfahren
Ausgangspunkt war eine ausgesprochen „kreative Buchhaltung“ eines bayerischen Unternehmens. Diese war dem Finanzamt bei einer Prüfung aufgefallen:
Das Unternehmen hatte mehrere Aufträge einer bayerischen Körperschaft des öffentlichen Rechts erhalten. Aus der Buchhaltung des Unternehmens ergab sich, dass eine höhere zweistellige Anzahl von Amtsträgern der Körperschaft über Jahre hinweg regelmäßig auf Kosten des Unternehmens Essen und Getränke auf dem Oktoberfest konsumiert haben sollen.
Eine sogar dreistellige Anzahl von Amtsträgern der Körperschaft soll darüber hinaus jahrelang Weihnachtsgeschenke in nicht unerheblichem Umfang von dem Unternehmer entgegen genommen haben.
Mein Mandant gehörte zu den Amtsträgern, die sowohl in den Genuss der Annehmlichkeiten im Rahmen des Oktoberfests , als auch der Weihnachtsgeschenke gekommen sein sollen.
Keine Vorteilsannahme
Die strafrechtliche Ermittlungsakte war aufschlussreich. Und die Buchhaltung des Unternehmens wurde hinsichtlich der (angeblichen) Gefälligkeiten ausgesprochen akribisch geführt. Mir lagen zwar nur die Datensätze vor, die meinen Mandanten betrafen. Aber ich gehe davon aus, dass das bei den anderen Beschuldigten ebenso war.
Der Unternehmer hatte über mehrere Jahre genau aufgelistet, welche Getränke und Mahlzeiten mein Mandant zu welchem Preis beim Oktoberfest (angeblich) konsumiert haben soll. Und auch die Angaben zu den angeblichen Weihnachtsgeschenken waren sehr konkret.
Allerdings entsprach nichts davon der Wahrheit.
Mein Mandant hatte das Oktoberfest seit Jahrzehnten nicht besucht. Und auch die angeblichen Weihnachtsgeschenke hatte er nicht erhalten.
Ich gab daher auftragsgemäß für meinen Mandanten eine entsprechende Stellungnahme im Ermittlungsverfahren ab.
Bei einem weniger umfangreichen Kreis von Beschuldigten hätte das zu einer „Aussage gegen Aussage“-Konstellation führen können: Der Beweis, dass ein Amtsträger eine angebliche Gefälligkeit (die nicht einmal existierte) nicht angenommen hat, ist nicht einfach zu führen.
Aber in diesem Verfahren war die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es einer Vielzahl von Beschuldigten ebenso wie meinem Mandanten ergangen war: Sie waren absolut unschuldig! Die Frage war nur, ob sie bereits im Ermittlungsverfahren Stellung nehmen würden.
Stellungnahme im Ermittlungsverfahren: Vor- und Nachteile
Ausgangspunkt für die Entscheidung, ob im Ermittlungsverfahren eine Stellungnahme erfolgt oder nicht, ist zunächst die Beweislage. Aber es gibt auch weitere Gesichtspunkte, die für diese Entscheidung berücksichtigt werden müssen (Verteidigungsstrategie im Strafrecht).
Hier war die Konstellation (eigentlich) relativ einfach: Eine Stellungnahme würde genau dem entsprechen, was mein Mandant in einem Gerichtsverfahren hätte aussagen können. Er war unschuldig.
Und wenn weitere (unschuldige) Beschuldigte die Möglichkeit einer Stellungnahme bereits im Ermittlungsverfahren ebenfalls nutzen würden, würde sich ein Muster ergeben, das zeigt, was hier wirklich vorgegangen war: Egal wem die „Gefälligkeiten“ des Unternehmens zu Gute kamen – dem größten Teil der beschuldigten Amtsträger jedenfalls nicht.
Und wenn andere (unschuldige) Beschuldigte die Möglichkeit einer Stellungnahme im Ermittlungsverfahren nicht nutzen würden, würde eine Klärung im Gerichtsverfahren erfolgen.
Der Vorteil bei dieser Konstellation: Die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass mehrere ähnliche Stellungnahmen im Ermittlungsverfahren erfolgen und die Staatsanwaltschaft diese Ermittlungsverfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO einstellt. Die Angelegenheit wäre erledigt.
Der Nachteil: Bei einem Freispruch im Ergebnis einer Gerichtsverhandlung trägt die Staatskasse auch die Kosten der Verteidigung. Bei einer Einstellung durch die Staatsanwaltschaft ist das nicht der Fall: Der Mandant muss für diese Kosten aufkommen.
Das Ergebnis
Mein Mandant entschied sich für die erste Variante. Wir gaben eine Stellungnahme ab. Offenbar hatte die Staatsanwaltschaft das o.a. Muster erkannt: Das Ermittlungsverfahren gegen meinen Mandanten wurde gem. § 170 Abs. 2 StPO einstellt.
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