Tel: 081916474513 oder E-Mail senden

Identitätsdiebstahl bei der Jobsuche

Veröffentlicht am
Mädchen + Binärcode, Symbolbild für Identitätsdiebstahl

Das Angebot für den Nebenjob klingt großartig? Heimarbeit, die halbwegs vernünftig bezahlt wird, reizt Sie? Und ein paar Computer-, Handy-App-Kenntnisse haben Sie auch? Das sind oft die Zutaten für Identitätsdiebstahl bei der Jobsuche. Erste Hinweise dazu finden Sie unter Betrug bei Kleinanzeigen/Stellenangebote/Kontoeröffnungen.

Job-Scamming

Meine Mandantin suchte eine zweite Tätigkeit in Heimarbeit und wurde auf ein Job-Angebot aufmerksam, in dem es darum ging, die Usability (Bedienbarkeit, Benutzerfreundlichkeit) von Apps und die Servicequalitäten von Beschäftigten der betreffenden Firmen zu testen.

Der (vermeintliche) „Arbeitgeber“ hatte eine Website und E-Mail-Adresse, die zum Firmennamen passten. Meine Mandantin bewarb sich. Ihr wurde erklärt, sie solle (gegen Bezahlung) zunächst ein paar Apps von Banken testen. Bei guten Arbeitsergebnissen, würde sie eine Festanstellung in Teilzeit erhalten.

Die Einarbeitung erfolgte über einen Chat. Als Testszenario wurde vom „Arbeitgeber“ eine Konto-Eröffnung gewählt. Sie erhielt eine neue E-Mail-Adresse und Handynummer. Bei einem Telefonat erklärte ihr ein Mitarbeiter des „Arbeitgebers“, das sei erforderlich, weil bei Auftauchen dieser Daten intern bei der Bank kein echtes Konto eröffnet werde.

Das klang plausibel. Denn der Gesprächspartner bei der Bank würde den Test nicht bemerken. Und im Hintergrund würden technische Maßnahmen eine reale Kontoeröffnung verhindern.

Meine Mandantin testete mehrere Apps und teile dem „zukünftigen Arbeitgeber“ ihre Feststellungen mit: Einmal war alles problemlos und die Mitarbeiterin der Bank sehr freundlich. In einem anderen Fall brach die Verbindung über die App zusammen und der Mitarbeiter wirkte genervt.

Echte Konten eröffnet

Einige Tage nach dem Ende der Tests erhielt meine Mandantin ein Schreiben von einer Bank mit Konto-Unterlagen und Glückwünschen zur Kontoeröffnung. Sie informierte ihren zukünftigen „Arbeitgeber“. Der bat um Details und beruhigte sie: Da sei wohl technisch etwas schief gelaufen, das Konto werde sofort gelöscht.

Noch ein paar Tage später meldete sich die nächste Bank (inklusive Konto-Unterlagen). Meine Mandantin war sauer. Und das wollte sie ihrem „Arbeitgeber“ auch deutlich zeigen. Aber dazu hatte sie keine Gelegenheit mehr. Auf ihre E-Mails erhielt sie keine Antwort. Danach stellte sie fest, dass die Website und Telefonnummer nicht mehr existierten.

Meiner Mandantin wurde klar, dass sie Opfer einer Betrugsmasche geworden war. Sie schrieb an die Banken, die sie kontaktiert hatten, schilderte den Sachverhalt und bat um Schließung der Konten.

Aber was diese Betrugsmasche bezwecken sollte, wusste sie zunächst nicht. Es wurde ihr jedoch kurz darauf – zumindest ansatzweise – klar: Eine weitere Bank meldete sich und teilte mit, dass das Konto wegen verdächtiger Aktivitäten geschlossen wurde. Und die nächsten Schreiben kamen nicht mehr von Banken.

Diverse Ermittlungsverfahren

Es folgten eine Vielzahl von Schreiben diverser Polizeidienststellen aus mehreren Bundesländern. Teilweise enthielten diese nur den Tatvorwurf des Betruges. Bei einigen Sachverhalten wurde ihr auch Geldwäsche vorgeworfen.

Meine Mandantin teilte den Strafverfolgungsbehörden jeweils den Sachverhalt mit und erstattete wegen des Job-Scamming Strafanzeige gegen Unbekannt. Alle Ermittlungsverfahren wurden eingestellt: Bei ihr lag kein strafbares Handeln vor. Und bei den wirklichen Betrügern sah die Staatsanwaltschaft aus den u.a. Gründen (Krypto-Börse) keinen Ansatz für erfolgreiche Ermittlungen.

An dieser Stelle kann ich nur den Hut vor meiner Mandantin ziehen. Denn bis zu diesem Punkt hatte sie sich nicht anwaltlich vertreten lassen. Und sie hatte das bestmögliche Ergebnis erreicht, obwohl sie immer noch nicht genau wusste, was da genau passiert ist.

Konfrontation mit Schadensersatzansprüchen

Einige Zeit später hatte meine Mandantin ein anwaltliches Schreiben erhalten. Sie wurde aufgefordert, mehrere tausend Euro Schadensersatzansprüche zu zahlen. Sie schilderte mir den Sachverhalt (soweit er ihr bekannt war) und bat mich um eine Beratung.

Die „Qualität“ dieses Anwaltsschreibens führte zunächst dazu, dass ich erst einmal überprüfte, ob es diesen Anwalt und die Kanzlei wirklich gibt. Das war der Fall. Aus dem Schreiben ergab sich zwar, dass es um einen Betrug bei Kleinanzeigen ging. Aber weitere Informationen (u.a. zum konkreten Konto) fehlten.

Ich erklärte meiner Mandantin, dass ich nicht ausschließen kann, dass hier im Hintergrund die (wirklichen) Betrüger oder „Trittbrettfahrer“ agieren und sie mit Schadensersatzforderungen „zugeschüttet“ wird. Denn ohne Informationen zum Konto war nicht einmal klar, ob es wirklich um ein Konto ging, das sie ungewollt eröffnet hatte.

Ich riet meiner Mandantin, den Anwalt um ergänzende Informationen zu bitten, was sie auch tat. Er reagierte – einige Zeit später – mit einer Klage.

Das Zivilverfahren

Aus der Klage ergab sich, dass meine Mandantin nicht nur Kontoinhaberin war, sondern auch über Kleinanzeigen einen Artikel verkauft haben soll. Ich hatte eine ungefähre Vorstellung davon, wie der Identitätsdiebstahl bei der Jobsuche und der Betrug bei Kleinanzeigen in Verbindung standen.

Mit Hilfe der Informationen meiner Mandantin gaben wir zunächst nur eine kurze Stellungnahme als Klageerwiderung ab. Ich beantragte Fristverlängerung, denn ich benötigte Akteneinsicht in die betreffende Ermittlungsakte.

Identitätsdiebstahl + Betrug bei Kleinanzeigen

Die Akteneinsicht bestätigte, was ich schon vermutet hatte: Die Betrüger agierten zweigleisig. Der Identitätsdiebstahl bei der Jobsuche diente einerseits dazu, meine Mandantin zur (nicht von ihr gewollten) Eröffnung von Konten zu bewegen und ihr den Zugang zu den Konten zu verwehren.

Denn durch die angeblich für den App-Test erforderliche neue E-Mail-Adresse und Handy-Nummer hatte sie – abgesehen von der Unkenntnis der tatsächlichen Kontoeröffnung – auch keinerlei Zugang zum Konto. Den hatten nur die Betrüger.

Und andererseits nutzten die Betrüger den Namen meiner Mandantin für einen zuvor (vermutlich aufgrund eines Datenlecks) gekaperten Account bei Kleinanzeigen, um dort in ihrem Namen zu agieren.

Sie bewegten den potentiellen Käufer dazu, die Kommunikation über WhatsApp fortzusetzen und schickten ihm als „Beweis für ihre (angeblich) lauteren Absichten“ auch noch eine (gefälschte) Ausweiskopie mit dem Namen (und gefälschten Daten inkl. falschem Foto) meiner Mandantin.

Der Käufer zahlte auf ein Konto meiner Mandantin, von dem sie nicht wusste dass es existierte und zu dem sie keinen Zugang hatte. Die Abbuchung auf ein Krypto-Konto der Betrüger erfolgte unmittelbar danach.

Anwaltsethik

Aufgabe eines Rechtsanwalts ist es – in dem legalen Rahmen – alles für seinen Mandanten zu tun. Die Grenzen ergeben sich aus der prozessualen Wahrheitspflicht, die nicht nur Lügen verbietet, sondern auch Vollständigkeit des Vortrags verlangt (§ 138 ZPO).

Ein krasses Beispiel, wie man es nicht machen sollte, habe ich unter Provisionsanspruch des Handelsvertreters-Prozessuale Wahrheitspflicht beschrieben.

Hier war es nicht ganz so schlimm. Aber von Vollständigkeit konnte keine Rede sein. Denn der Klägervertreter hatte Akteneinsicht und er kannte Bilder des echten und des gefälschten Ausweises meiner Mandantin (und einiges mehr). Das hat er verschwiegen. Er hatte auch offensichtlich nicht verstanden, wie die Betrüger bei diesen Sachverhalten agieren.

Und in diesem Verfahren führte die Spur der angeblichen „Verkäuferin“ bei Kleinanzeigen zu einem männlichen Account und einer Handynummer nach Russland (wer hätte es gedacht <> Ironie off</>).

Nach einem gerichtlichen Hinweis und einer weiteren Stellungnahme unsererseits hüllte sich die Gegenseite dann in Schweigen.

Das Urteil

Es ging in diesem Verfahren um verschiedene juristische Konstellationen:

  • Das Gericht entschied, dass ein Kaufvertrag zwischen meiner Mandantin und dem Käufer nicht zustande gekommen ist und der Käufer nicht wegen Nichtleistung den Kaufpreis zurückverlangen kann.
  • Auch ein Anspruch auf Schadensersatz besteht nicht. Denn der Tatbestand der Geldwäsche ist nicht erfüllt. Sie hatte keine Kenntnis von der Existenz des Kontos und demzufolge auch nicht von den Kontenbewegungen.
  • Außerdem ist sie gem. § 818 Abs. 3 BGB entreichert, da die unbekannten Betrüger den eingegangenen Betrag sofort auf ein unbekanntes Konto überwiesen hatten.

Die Klage wurde abgewiesen (Amtsgericht Wedding – 8 C 200/23).

Identitätsdiebstahl bei der Jobsuche: Fazit

Seien Sie extrem vorsichtig bei Jobangeboten, wie dem oben angegebenen. Und seien Sie noch vorsichtiger, wenn es um Banken geht. Denn Banken benötigen normalerweise keine externen Dienstleister, um ihren Service zu testen.

Dokumentieren Sie die Kommunikation mit dem (evtl. angeblichen) Arbeitgeber. Denn das war hier ein wichtiger Beweis: Meine Mandantin konnte durch ihre Stellungnahme an den (vermeintlichen) „Arbeitgeber“ nachweisen, dass sie das getan hat, was von ihr verlangt wurde – eine App und die Kundenfreundlichkeit der Mitarbeiter zu testen.

Sie haben weitere Fragen?

Wir stehen Ihnen gern zur Verfügung. Selbstverständlich gilt für Ihre Anfrage die anwaltliche Schweigepflicht und Ihre Daten werden vertraulich behandelt.

 

Das könnte auch interessant sein...