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Berufung Strafrecht: Risiken und Chancen

Veröffentlicht am

Aktualisiert: 23.02.2024

Berufung Strafrecht- Symbolbild: Dartscheibe mit Pfeilen in der Mitte

Ob eine Berufung im Strafrecht erfolgreich sein wird, ist nicht vorhersehbar.

Wichtig ist zunächst, dass die prozessualen Anforderungen berücksichtigt werden, insbesondere die Frist. Chancen bestehen ggf. hinsichtlich der Reduzierung einer Strafe oder einer Strafaussetzung auf Bewährung bei einer Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren.

Und manchmal ist der zeitliche Aspekt zwischen den beiden Verhandlungen hilfreich. So war es hier: Nach der Hauptverhandlung erster Instanz erhielten wir Informationen, die für den Erfolg in der zweiten Instanz wichtig waren.

Allgemeine Informationen zur Berufung im Strafrecht

  • Berufung kann nur gegen Urteile des Amtsgerichts eingelegt werden. War das Landgericht die erste Instanz, ist nur Revision möglich.

D.h.: Für weniger schwere Delikte gibt es insgesamt drei Instanzen. Für schwerwiegendere Delikte, wie z.B. Mord, gibt es insgesamt nur zwei Instanzen.

Das wird durch Strafverteidiger seit Jahrzehnten (erfolglos) kritisiert, soll hier aber nur angemerkt und nicht vertieft werden.

  • Frist: Die Berufung muss innerhalb einer Woche nach Urteilsverkündung bei dem Amtsgericht eingelegt werden, das das Urteil verkündet hat (§ 314 StPO).

Bitte beachten Sie: Die Urteilsverkündung erfolgt am Tag der letzten Hauptverhandlung. Für den Fristbeginn gilt die mündliche Urteilsverkündung – nicht die Zustellung des schriftlichen Urteils (bis auf wenige Ausnahmen, auf die ich hier nicht eingehe).

  • Bei der Berufung im Strafrecht handelt es sich um eine weitere Tatsacheninstanz. Das heißt: Das Landgericht verhandelt und überprüft Ihren Fall nochmals vollständig.
  • Risiken der Berufung: Es gilt das Verschlechterungsverbot. D.h.: Hat nur der Angeklagte Berufung eingelegt, darf die Strafe nicht höher ausfallen, als in der I. Instanz.

Aber: Wenn auch die Staatsanwaltschaft Berufung einlegt, gilt das Verschlechterungsverbot nicht!

Berufung Strafrecht: Erfolgsaussichten

Blogs von Strafverteidigern (meiner eingeschlossen) hinterlassen oft den Eindruck, dass es nur Freisprüche oder Verfahrenseinstellungen gibt. Das ist nicht der Fall!

Meine letzten beiden Berufungsverfahren endeten 50/50: In einem Verfahren wurde das erstinstanzliche Urteil bestätigt, in dem anderen das Verfahren eingestellt (siehe unten).

Aber es geht nicht darum, nur die Erfolge zu beschreiben. Denn es liegt (oft) einfach daran, dass man ein “verlorenes” Verfahren in einem Satz zusammenfassen kann: Das Gericht hat die Argumente der Verteidigung (hoffentlich) zur Kenntnis genommen, den Sachverhalt aber anders beurteilt.

Und dieses Prinzip gilt gerade für das Verfahren, auf das ich hier näher eingehen will.

Berufung im Strafverfahren erfolgreich

Dem Verfahren lag der Vorwurf einer gefährlichen Körperverletzung zugrunde.

Was ist gefährliche Körperverletzung?

Die gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB) ist eine Qualifikation zur einfachen Körperverletzung. Der Täter einer gefährlichen Körperverletzung wird im Vergleich zur einfachen Körperverletzung höher bestraft, weil die Art und Weise der Tatbegehung als besonders gefährlich anzusehen ist.
Aus § 224 StGB ergeben sich fünf mögliche Begehungsweisen:
– Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
– Tatbegehung mit einer Waffe oder einem gefährlichen Werkzeug,
– hinterlistiger Überfall,
– Tatbegehung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
– mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung.
Der Strafrahmen der gefährlichen Körperverletzung sieht eine Mindeststrafe von sechs Monaten und eine Höchststrafe von 10 Jahren Freiheitsentzug vor.

Bei Körperverletzungen nicht selten: Beide Beteiligte erstatten gegen den jeweils anderen Beteiligten Strafanzeige. Die Staatsanwaltschaft entscheidet nach Aktenlage und erhebt Anklage gegen einen der Beteiligten (oder stellt beide Verfahren ein).

Gegen meinen Mandanten wurde Anklage erhoben.

Sachverhalt

Mein Mandant schilderte mir, dass er von mehreren Personen (dem vermeintlichen Opfer und den Zeugen des „Opfers“) tätlich angegriffen und verletzt wurde. Er hatte keine direkten Zeugen. Das (vermeintliche) Opfer behauptete dagegen, mein Mandant habe ihn mit einem großen Stock angegriffen und geschlagen. Zwei Zeugen seien dann dazwischen gegangen.

Die Akteneinsicht ergab einige Indizien für die Richtigkeit der Schilderung meines Mandanten. Aber das (vermeintliche) Opfer hatte zwei (vermeintliche) Tatzeugen. Mein Mandant hatte nur Zeugen vom “Hörensagen”.

Die Ermittlungsakte

Mein Mandant hatte mich leider erst nach Zugang der Anklage mandatiert. So entfiel die Möglichkeit, die Staatsanwaltschaft auf entlastende Beweise aufmerksam zu machen.

Aus der Ermittlungsakte ergab sich ein Vorgeschehen, das die beiden Beteiligten unterschiedlich schilderten. Die Darstellung des Opfers war widersprüchlich (und unlogisch). Für die Darstellung meines Mandanten gab es zu diesem Zeitpunkt keine Beweise. Trotzdem war es ein Verteidigungsansatz.

Ein weiterer Umstand, auf dem ich die Verteidigung aufbauen konnte: Die durch Fotos dokumentierte Verletzung des Opfers resultierte – nach meiner Auffassung – nicht aus dem angegebenen Tatgeschehen. Denn das betraf einen Schlag. Die Verletzung war aber ein Würgemal – und eine entsprechende Handlung meines Mandanten hatte keiner der Zeugen geschildert.

Das Verfahren I. Instanz

Das (vermeintliche) “Opfer” schilderte einen (angeblichen) Tatverlauf. Die „Zeugen des Opfers” bestätigten diese Schilderungen.

Ein wichtiges Detail der Zeugenaussagen des “Opfers” und seiner „Zeugen“ stand im Widerspruch zur Dokumentation in der Ermittlungsakte. Das Verletzungsbild des “Opfers” passte nicht zum vermeintlichen Tatgeschehen.

Mein Mandant hatte mir dazu ein alternatives Geschehen (mit einer anderen Beteiligten) geschildert, das ich zu diesem Zeitpunkt aber nicht im Rahmen eines Beweisantrages verwenden konnte, weil es dafür (noch) keine Indizien gab.

Mein Plädoyer baute aber auf diesen (und weiteren) Argumenten auf. Ich beantragte Freispruch.

Das Gericht sah das anders und verurteilte meinen Mandanten zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr, ohne diese zur Bewährung auszusetzen.

Ich legte auftragsgemäß gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung ein.

Das Verfahren II. Instanz

Der dritte Zeuge in der Berufungsinstanz war das vermeintliche “Opfer”. Und er sonnte sich in der Erfahrung, dass er schon einmal (in der I. Instanz) zu überzeugen vermochte. Allerdings stand seine Aussage teilweise im Widerspruch zur Aussage eines zuvor gehörten unvoreingenommen Zeugen.

Und an diesem Punkt wurde es interessant.

Die Staatsanwältin wurde misstrauisch. Sie erkannte die Ungereimtheiten, mit denen ich schon in der ersten Instanz argumentiert hatte. Und die Aussagen des vermeintlichen “Opfers” waren nicht geeignet, ihre Zweifel zu zerstreuen.

Auch das Gericht signalisierte, dass die bisherige Beweisaufnahme nicht unbedingt dem ersten Eindruck der Aktenlage entsprach.

Beweisermittlungsantrag
Was ist ein Beweisantrag?

Der Beweisantrag ist in § 244 (3) StPO geregelt:
„Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll.“
Ein Beweisantrag kann im Gegensatz zum Beweisermittlungsantrag nur unter den Voraussetzungen der §§ 244 (3-5), 245 (2) StPO abgelehnt werden.

Was ist ein Beweisermittlungsantrag?

Ein Beweisantrag enthält eine bestimmt bezeichnete Beweisbehauptung und ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel.
Dagegen liegt ein Beweisermittlungsantrag vor, wenn dem Antrag eine oder mehrere Voraussetzungen des formellen Beweisantrages fehlen (z.B. Name oder Anschrift eines Zeugen sind nicht bekannt).
Bei der Ablehnung eines Beweisermittlungsantrages ist das Gericht nicht an die Voraussetzungen der §§ 244 (3-5), 245 (2) StPO gebunden. Er kann abgelehnt werden, wenn die Beweiserhebung von Amts wegen nicht geboten ist.

Einer der Punkte, die mir von Anfang an auffielen, war das Verletzungsbild des vermeintlich Geschädigten. Denn das entsprach nicht der geschilderten Tathandlung.

Wie oben schon beschrieben, hatte mir mein Mandant einen Geschehensablauf geschildert, der kurz vor der ihm zur Last gelegten Tat stattgefunden haben und an dem das vermeintliche Opfer und eine unbekannte Person beteiligt gewesen sein sollen. Und dieses Geschehen würde das Verletzungsbild erklären.

Er wusste nur, dass es kurz nach seiner Verhandlung in I. Instanz dazu eine Verhandlung vor dem gleichen Amtsgericht gegeben hatte.

Mein Beweisermittlungsantrag zielte darauf ab, diese Akte bei zuziehen und die uns bis dahin unbekannte Person als Zeugen zu laden.

Ausgang des Berufungsverfahrens

Das Berufungsgericht ist dem Beweisermittlungsantrag gefolgt. Und die bei gezogene Akte hatte meine Vermutung bestätigt: Die Verletzung des vermeintlich Geschädigten war eher durch einen anderen Sachverhalt, an dem mein Mandant nicht beteiligt war, erklärbar.

Zwar bestand unsere Zielstellung in einem Freispruch. Aber im Ergebnis einer Beweisaufnahme sind alle Beweise zu würdigen.

Es hätten weitere Zeugen vernommen werden müssen. Und die Belastungszeugen kannten meine Argumente und konnten sich darauf einstellen: Einer der Belastungszeugen hatte nach seiner Vernehmung mein Plädoyer in I. Instanz aufmerksam verfolgt.

Ob sich diese Zeugen in Widersprüche verwickeln würden, war nicht vorhersehbar. Und mein Mandant hatte keine Tatzeugen, sondern nur “Zeugen vom Hörensagen”.

Ich regte daher eine Einstellung nach § 153 StPO an (Absehen von der Verfolgung wegen Geringfügigkeit).

Was bedeutet Einstellung gem. § 153 StPO?

Gemäß § 153 StPO kann die Staatsanwaltschaft mit gerichtlicher Zustimmung von der Strafverfolgung absehen. Dafür müssen 3 Voraussetzungen erfüllt sein:

– die Schuld des Täters wäre als gering anzusehen,
– es besteht kein öffentliches Interesse an der Verfolgung der Tat und
– es handelt sich bei der Tat um ein Vergehen.

Auch das Gericht kann das Strafverfahren zu jedem Zeitpunkt einstellen, wenn diese Voraussetzungen vorliegen. Dafür ist die Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Beschuldigten erforderlich. Die Unschuldsvermutung gilt bei einer Einstellung nach § 153 StPO fort.

Die Staatsanwaltschaft war einverstanden. Und das Gericht folgte dem Antrag. Das Verfahren wurde gem. § 153 StPO eingestellt.

Fazit:

Nicht jede Berufung im Strafrecht ist erfolgreich. Aber wenn eine in I. Instanz ausgesprochene Freiheitsstrafe ohne Bewährung in der II. Instanz in einer Verfahrens-Einstellung gem. § 153 StPO endet, war die Berufung erfolgreich.

Oft sind die Chancen einer Berufung höher, als die Risiken. Aber es kommt auf den Einzelfall an.

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